Sonntag, August 30, 2009

FantasyFilmFest-Nachtrag

Nachtrag zum FantasyFilmFest.

Das FantasyFilmFest ist in Hamburg nun leider wieder vorbei. In anderen deutschen Städten können sich die Kinobesucher auf ein cineastisches Highlight des Jahres noch freuen.
           
           Termine des Fantasy-Film-Festes:

           Berlin (18.-26.8.) / Hamburg (19.-26.8.) /  Köln (26.8.-2.9.) / Frankfurt (26.8.-2.9.) /
           Nürnberg (27.8.-3.9.) / Stuttgart (2.-9.9.) / München (1.-9.9.)

Gerammelt voll war es bei der Vorführung von DISTRICT 9 im großen CINEMAXX. Vollkommen unvorbereitet lande ich, nur angelockt durch die eigenwillige Vorstellung im Programmheft des FantasyFilmFestes, in einer Produktion des neuseeländischen Filmemachers Peter Jackson (BRAINDEAD, HERR DER RINGE). Ein Sci-Fi-Actionfilm von Neill Blomkamp, der in Südafrika angesiedelt ist. Die „Invasion" der Aliens hat stattgefunden. Sie haben aber nicht die Macht übernommen, sondern sie werden im District 9 von Kapstadt in einer Art Auffanglager gehalten.
Während des ganzen Films geht einem dabei nicht aus dem Kopf, dass hier alles vor dem Hintergrund der vergangenen Apartheidspolitik und immer noch bestehender sozialer Ungleichheiten entwickelt wird. Die NEW YORK TIMES spricht hier sogar von einer Allegorie.
Regisseur Neill Blomkamp, der zusammen mit Terri Tatchell20auch das Drehbuch geschrieben hat, hat einen irrwitzigen Helden geschaffen – irgendwo zwischen Kafka und Chaplin – den wir auf seiner Dienstreise durch den District 9 begleiten. Immer dabei: eine wackelige Handkamera, die alles dokumentiert. Daneben werden wir mit Infos zum Geschehen versorgt, durch alle üblichen Medienkommentare sowie Sitzungen und Geheimabsprachen des Unternehmens, dass für den District 9 verantwortlich ist. M.N.U., was für Multi-National United steht. Und unser Held ist natürlich der Schwiegersohn des Chefs.
Ungelenk, aber immerhin mit Sprachkenntnissen, betritt er überfall artig mit bewaffneten Begleitern die Wohnstätten der Aliens – sogenannten Prawns, ein Verweis auf ihr Aussehen. Von Interesse für M.N.U. sind die Waffen der neuen Mitbürger, die aber nur in den Händen der richtigen DNA wirksam sind.
Da sich der übereifrige Beamte – unser Held – mit der Alien-DNA infiziert, wird er bald in einen Gewissenskonflikt gestürzt. Zum Killer eignet er sich eigentlich nicht. Denn schließlich will er Mensch bleiben.  Bald schließt er sich einem hochintelligenten Alien an, der ihn zurückverwandeln will.
Man merkt schon, hier geht es nicht nur um die Menschen, die sich vor einer Gefahr von außen unbedingt schützen müssen. Hier stellt sich die Frage nach dem, was das „wahre" menschliche Anlitz ist. Und die weiße wie auch die schwarze Bevölkerung Kapstadts schneiden in puncto Toleranz ziemlich schlecht ab. Geld un d die richtigen Waffen bestimmen die Welt!
Also bis hierher der nicht unintelligente Inhalt. Wie es ausgeht, wird natürlich nicht verraten! Was man aber denen die (wie ich!), noch nicht das meiste schon im voraus in WEB erfahren haben, noch erzählen muss, ist, dass es natürlich und vor allem auch ein Actionfilm ist. Mit streckenweise viel Geballer! Das ist meist aber so fantasievoll verpackt, dass es auch dem ansonsten Actionfilme meidenden Publikum durchaus zu empfehlen ist.
Links zum weiterlesen:
http://www.spiegel.de/kultur/kino
http://movies.nytimes.com/2009/08/14/movies/14district.html
Und über reale Hintergründe:
http://www.newsweek.com/id/213805

Der Starttermin für DISTRICT 9 ist vorverlegt auf den 10. September. Der Film hat bereits am ersten Wochenende in den USA seine – nun ja eher Low-Budget – Kosten (30 Millionen Dollar) eingespielt. In der Sommerflaute hat er sich so als echter Kracher erwiesen, der allerdings auch bei der Kritik gut wegkommt.

Auf dem FantasyFilmFest gab es auch mehrere Filme, die das Thema Gewalt hinterfragen. Keine orgiastischen Überhöhungen; kein: wir sind mitten drinnen und lassen es einfach mal raus. Was manchmal  zivilisierter im Kino sein kann, als auf der Straße....
Einer davon hat gerade den Hauptpreis auf dem Sydney Film Festival erhalten. BRONSON von Nicolas Winding Refn (PUSHER, BLEEDER) erzählt sehr eigenwillig die Lebensgeschichte des gewalttätigsten Strafgefangenen Großbritanniens. Die Jurybegründung: „emotional, hat N achklang, ist mutig, sehr aktuell, wagemutig und zeigt das Thema in einem neuen Licht".
Bronson, so genannt nach Charles Bronson, entwickelt sich zu dieser nachhaltigen Ikone der Gewalt erst im Knast. Die Medien tun ihr übriges dazu.  Als clownesker Conférencier seines Lebens führt er durch das Brutalo-Geschehen, das sein Leben darstellt. Ein sich – nicht ohne diesen typischen britischen humorigen Unterton – vollkommen verausgabender Tom Hardy gibt Charles Bronson, mit bürgerlichem Namen Michael Gordon Peterson. Seit Anthony Hopkins Performence als Hannibal Lecter gab es nicht mehr etwas derart diabolisch gut gespieltes. Nicht unbedeutend für den Film ist die Musikspur. Gewalt im Film – wie in der Oper – läßt sich so einfach besser ertragen. Oder sollte man sagen genießen? Kommt wohl auf den Charakter an. Und ist wohl auch etwas, worauf uns der Regisseur stoßen will......Tatsache ist, dass BRONSON ein Film ist, der sich ins Hirn einbrennt!

Ole Bornedal (NIGHTWATCH) kommt mit seinem DELIVER US FROM EVIL dagegen mit einer Charakterstudie, die das Milieu ausleuchtet. Die Gruppendynamik, die der Tod einer allseits beliebten Mitbürgerin bei den Dorfbewohnern auslöst, und sich gegen den Außenseiter, einen Asylanten, entlädt, ist der schiere Abgrund menschlichen Verhaltens. Irgendein Überbleibsel in unserem (Ur-)Stammhirn. Etwas, was uns früher in freier Wildbahn vor fremden Eindringlingen warnen sollte und mit dem Handeln derart symbiotisch verbunden war, dass Vernunft erst gar nicht eingeschaltet werden mußte und somit das Überleben in der Wildnis sicherte. Etwas, das in der Form von Selbstjustiz  – nicht nur in alten Western – überwintert hat, und immer wieder mal in einer Art von Gruppenhypnose auftritt.
DELIVER US FROM EVIL ist ein Film, der uns betroffen macht, weil alles so nah „scheint".

Was war da noch so auf dem FantasyFilmFest?
GIALLO vom Altmeister des Horrors Dario Argento. Ich muss zugeben, die selbstironischen Horrorfilme des amerikanischen Independentkinos liegen mir mehr. Spätestens als das erste Opfer gedemütigt wird, erinnere ich mich, dass ich es früher nicht ausstehen konnte, wenn pünktlich mit der ersten schreienden Frau das männliche Publikum zu lachen (oft grölender Weise) anfing. Alles beim Alten, zumindestens bei Argento. Es ist aber ansonsten kein schlechter Film. So eine Optik macht ihm so schnell keiner nach.  Die Frauen: geschenkt. Selbst Emmanuelle Seigners Figur, als resolute Frau angelegt, wirkt manchmal seltsam puppenhaft. Der sadistische Schlitzer: nun ja, halt typisch und zudem noch körperlich mißgestaltet. Bei so einem ist es ja kein Wunder, dass er alles schöne zerstören muss. Als da wären Asiatinnen, Models, etc.(Achtung: Ironie!)
Was aber richtig gut kommt, ist wie Argento die Stadt Turin ins Bild setzt. Und bei Adrien Brody als introvertierten Polizisten und Jäger in eigener Sache muss man nur die Kamera draufhalten. Das Gesicht hat es in sich....De r Hintergrund wird immer dunkler, wechselt vom typischen gelb (der Schwefelzone) zum blau (fast wie bei Michael Mann). Und Dario Argento findet einen derartig lakonischen Abschluss, dass würde sich Hollywood nie erlauben. Steigerung bis zur größten Hysterie, dann noch eine Einstellung und Schluss. Das ist gelungen!

Und zum Schluss noch ein Tipp zu einem typischen FantasyFilmFest-Streifen. Oder doch eher so einer, wie sich Außenstehende die Filme dieses Festivals vorstellen. Die britische Produktion THE CHILDREN splattert nach dem Motto „wir haben uns alle dann doch nicht so lieb". Zwei Vorzeigefamilien treffen sich über Weihnachten auf einem Anwesen, fern der Zivilisation. Alles ist Friede, Freude, Eierkuchen... Doch dann verhalten sich die lieben Kleinen auf einmal merkwürdig. Als ob sie ferngesteuert würden. Was jetzt folgt, ist alles andere als appetitlich. Komisch auch nicht unbedingt. Aber, wer die allgemein anerkannte Family-Matrix mal über Bord werfen will. Oder wer sich rückhaltlos mit dem Freak der Familie, der Teenagerin Casey solidarisieren will. Nun der wird sich zumindest nicht langweilen. Oder wie Channel 4 Film es ausdrückt: „Tom Shankland's traumatic horror is every parent's nightmare".

Text: Meike Gastner







Samstag, August 22, 2009

Fantasy-Film-Fest in Hamburg

Zwischenbericht vom Fantasy-Film-Fest in Hamburg.

Gleich in den ersten Tagen schwere Kost aus Südkorea. Chan-Wook Park mit THIRST-DURST und Phil-Sung Yim mit HANSEL AND GRETEL.

HANSEL AND GRETEL  (Phil-Sung Yim).
Hänsel und Gretel, das Schauermärchen nach den Brüdern Grimm, mal paradox. Hier hat man sich vor den lieben Kleinen zu fürchten, die eine Art Dauergeburtstag oder ewiges Weihnachtsfest feiern. Mit einem Wunschbuch ist halt alles möglich. Und die Erwachsenen haben sich dem Begehren der Kinder doch tunlichst unterzuordnen. Bei Nicht-befolgen: nun den Quälgeistern fällt schon was ein....
Der junge Mann, der nach einem Autounfall von einem kleinen Mädchen durch den dunklen Wald in ihr Domizil geleitet wird, findet eine Bilderbuchfamilie vor. Doch nachdem ein Versuch scheitert, aus dem Wald herauszukommen, landet er wieder in dem von allen Außenkontakten abgeschnittenen Häuschen. Dann verschwinden die Eltern und Unheimliches passiert in der Kinderwelt. Neben einer Erklärung, warum die drei Kinder so grausam sind, spinnt Phil-Sung Yim Erzählfäden, die über den Verlust der Kindheit, das Unhaltbare der Aufrechterhaltung der Unschuld der Kinder und die Verweigerung des Erwachsenwerdens bildgewaltig philosophieren. Und letztendlich macht er mit dem Zuschauer das, was sein Held gekonnt beherrscht: Geh' niemals den Geschichten auf den Leim, sondern erkenne ihre Konstruktion. Und nutze sie, um der Gefangenschaft zu entfliehen...... Und den K indern möchte man zurufen: Get out of the forrest and being grown up! Aber sie werden wohl weiter ihr Unwesen treiben und das wahre Leben verpassen.


THIRST-DURST (Chan-Wook Park).
Das Grundgerüst der Beziehungen basiert auf Emile Zolas Roman THERESE RAQUIN. Aber Chan-Wook Park bettet das Ganze in eine Vampirgeschichte ein. Junger unbefriedigter Priester nimmt an einem medizinischen Experiment teil und verwandelt sich zum Blutsauger. Er wird in der Familie eines alten Freundes aufgenommen. Dessen Frau wird seine Geliebte. Der Vampirismus wird wieder einmal zur Metapher für ungestillte Leidenschaft und sexuellen Exzess. Was Chan-Wook Park daraus macht, kann man nicht erzählen. Das muss man sich einfach anschauen. Man schwankt dabei zwischen Ekel angesichts sehr realistischer körperlicher Verletzungen (schlimmer als jeder Splatterfilm!) und dem Genuss einer skurrilen Situationskomik. Die Schauspieler meistern diesen Balanceakt ohne dass die Geschichte zur Klamotte wird. Im Gegenteil, das besitzt die Dramatik von großer Oper.

THIRST-DURST am Sonntag (23.8.) auch in Berlin im CINEMAXX 7 (21:45 Uhr). Der Regisseur Chan-Wook Park wird anwesend sein.

Text: Meike Gastner



Termine des Fantasy-Film-Festes:

Berlin (18.-26.8.) / Hamburg (19.-26.8.) /  Köln (26.8.-2.9.) / Frankfurt (26.8.-2.9.) /
Nürnberg (27.8.-3.9.) / Stuttgart (2.-9.9.) / München (1.-9.9.)

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